Scandal Love Read online
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Es verging eine ganze Weile, bevor ich das Schweigen unterbrach. »Und was jetzt?«
»Jetzt warte ich.« Er schien drauf und dran, meine Wange zu streicheln. Meine Lider flatterten, und mein Herz schlug einen Purzelbaum, der bewirkte, dass ich mich sowohl jünger als auch älter fühlte, als ich war.
»Du wartest?« Ich zog die Stirn in Falten. »Worauf denn?«
»Darauf, dass das Druckmittel, das ich gegen dich in der Hand habe, sich als nützlich erweist, Edie Van Der Zee.«
Er kannte meinen Vornamen. Es war schon erstaunlich genug, dass er mich als Jordans Tochter wiedererkannt hatte, obwohl er mich auf der Party seines Freundes vor mehreren Wochen nur von Weitem gesehen hatte, aber dies hier … war irritierend aufregend. Woher sollte Trent Rexroth meinen Namen wissen, außer er hatte sich danach erkundigt? Mein Vater erwähnte mich in der Firma nicht. Das war eine unumstößliche Tatsache. Er versuchte nach Möglichkeit zu vergessen, dass ich existierte.
»Was könntest du wohl von mir brauchen?« Ich zog skeptisch die Nase kraus. Er war ein einflussreicher Mogul in den Dreißigern und spielte in einer ganz anderen Liga, sodass wir nicht mal auf demselben Spielfeld antraten. Damit ging ich nicht zu hart mit mir ins Gericht. Immerhin war es meine freie Entscheidung. Ich könnte so reich sein wie er – Korrektur: Ich war potenziell fünfzig Mal reicher als er. Die Welt hatte mir zu Füßen gelegen, aber ich trat sie zur großen Bestürzung meines Vaters beiseite, anstatt es mir darin gemütlich zu machen.
Doch davon hatte Trent Rexroth keine Ahnung. Er wusste absolut nichts davon.
In seiner Nähe, unter seinem prüfenden Blick fühlte ich mich unglaublich lebendig. Er beugte sich ganz nah zu mir und verzog seine für Poesie und Sünde und Wonne geschaffenen Lippen zu einem Lächeln. »Ich brauche deinen Vater an einer kurzen Leine«, raunte er. »Gratuliere. Du hast dich soeben zum latenten Bauernopfer gemacht.«
Er richtete sich auf und geleitete mich zu meinem Audi, indem er meinen Nacken umfasste, als wäre ich ein wildes Tier, das dringend gezähmt werden musste, und ich konnte an nichts anderes denken als daran, dass mein Leben soeben um ein Vielfaches komplizierter geworden war.
Er klopfte auf das Wagendach und lächelte mich durch das heruntergelassene Fenster an, bevor er sich seine Ray-Ban auf die Nase schob. »Fahr vorsichtig.«
»Leck mich.« Meine Finger zitterten, als ich die Handbremse löste.
»Nicht in einer Million Jahre, Mädel. Du bist die Zeit im Knast nicht wert.«
Ich war schon achtzehn, nur machte das praktisch keinen Unterschied. Ich konnte mich gerade noch davon abhalten, ihm ins Gesicht zu spucken, als er etwas Kleines, Hartes aus der Tasche seiner Mutter kramte und zu mir ins Auto warf. »Reiseproviant. Noch ein gut gemeinter Rat: Halte dich vom Eigentum anderer Leute fern. Nicht jeder ist so nachsichtig wie ich.«
Er war nicht nachsichtig. Sondern das Musterexemplar eines Wichsers. Bevor ich mir eine Retourkutsche überlegen konnte, hatte er sich schon abgewandt und schlenderte davon, zurück blieben nur eine Spur seines berauschenden Dufts und die Blicke interessierter Frauen. Noch immer wie benebelt und außerdem verärgert über seinen letzten Kommentar schaute ich nach, was er auf meinen Schoß geworfen hatte.
Einen Snickers-Riegel.
Anders ausgedrückt, er behandelte mich wie ein Kind, indem er mir befahl, mich abzuregen. Für ihn war ich nichts als ein Witz.
Ich fuhr von der Promenade auf direktem Weg nach Tobago Beach und besorgte mir von Bane ein kleines Darlehen, um den nächsten Monat finanziell über die Runden zu kommen. Ich war zu aufgewühlt, um einen weiteren Taschendiebstahl zu riskieren.
Aber dieser Tag veränderte etwas und gab meinem Leben irgendwie eine Richtung, die ich nicht für möglich gehalten hätte.
Es war der Tag, an dem ich erkannte, dass ich Trent Rexroth hasste.
An dem ich ihn auf meine schwarze Liste setzte, ohne Aussicht auf Bewährung.
Und an dem ich realisierte, dass ich mich in den richtigen Armen immer noch lebendig fühlen konnte.
Schade nur, dass es zugleich die völlig falschen waren.
KAPITEL 1
TRENT
Sie ist ein Labyrinth ohne Ausgang.
Ein ätherischer steter Puls. Präsent und doch nur zu erahnen.
Ich liebe sie so sehr, dass ich sie manchmal hasse.
Und es macht mir Angst, weil ich tief im Inneren ahne, was sie ist.
Ein unlösbares Rätsel.
Und ich weiß, wer ich bin.
Der Idiot, der versuchen wird, es zu entschlüsseln.
Um jeden Preis.
»Wie war dir zumute, als du das verfasst hast?« Sonya hielt das von einem Whiskyring verunzierte Blatt so vorsichtig, als handelte es sich um ein Neugeborenes. In ihren Augen glänzten Tränen. Das Dramalevel war hoch in dieser Sitzung. Ihre Stimme klang brüchig, und ich wusste, worauf sie hoffte: auf einen Durchbruch. Einen Wendepunkt. Diese Schlüsselszene in einem Hollywoodstreifen, nach der sich alles ändert. Das seltsame Mädchen überwindet seine Hemmungen, der Vater erkennt, dass er ein kaltherziger Mistkerl ist, und gemeinsam arbeiten sie an ihren Gefühlen … bla, bla, bla, her mit den Taschentüchern.
Ich rieb mir übers Gesicht und warf einen Blick auf meine Rolex. »Ich war stockbesoffen, als ich es schrieb, darum war mir vermutlich nach einem Burger zumute, um den Alkohol aufzusaugen«, antwortete ich mit ausdruckslosem Gesicht. Ich redete nicht viel – welch eine Überraschung –, darum nannte man mich den Stummen. Wenn ich es tat, dann mit Sonya, die meine Grenzen kannte, oder mit Luna, die diese ebenso ignorierte wie mich.
»Betrinkst du dich oft?«
Sonyas Miene offenbarte Gereiztheit. Meist überspielte sie ihre Regungen, aber ich sah durch die dicke Schicht aus Make-up und Professionalität.
»Nicht dass dich das etwas anginge, aber die Antwort lautet Nein.«
Überlaute Stille senkte sich über den Raum. Ich trommelte mit den Fingern auf das Display meines Handys, während ich mich zu erinnern versuchte, ob ich den Koreanern den Vertrag nun zugeschickt hatte oder nicht. Ich hätte netter sein sollen, immerhin saß meine vierjährige Tochter neben mir und bekam alles mit. Ich hätte vieles sein sollen, aber über meine Arbeit hinaus waren in mir nur Ärger, Zorn und Verwirrung. Warum, Luna? Was zum Teufel habe ich dir getan? Wie hatte es dazu kommen können, dass ich zu einem dreiunddreißigjährigen alleinerziehenden Vater mutiert war, der für kein anderes weibliches Wesen als für seine Tochter Zeit oder Muße aufbrachte?
Sonya verschränkte die Finger. »Lasst uns über Seepferdchen sprechen«, schlug sie vor, um das Thema zu wechseln. Das tat sie immer, wenn mir der Geduldsfaden zu reißen drohte. Ihr Lächeln war warm, aber neutral, genau wie ihr Büro. Mein Blick wanderte über die Bilder von lachenden Kindern, die hinter ihr an der Wand hingen – der typische IKEA-Mist –, die zartgelbe Tapete, die hübschen geblümten Sessel. Bemühte sie sich zu sehr oder ich mich zu wenig? Das war im Augenblick schwer zu sagen. Ich schaute zu meiner Tochter und schenkte ihr ein Lächeln. Sie erwiderte es nicht. Was ich ihr nicht verübeln konnte.
»Möchtest du deinem Dad erzählen, warum Seepferdchen deine Lieblingstiere sind, Luna?«, zwitscherte Sonya.
Ihr verschwörerischer Ton entlockte Luna ein Grinsen. Obwohl sie schon vier war, sprach sie nicht. Überhaupt niemals. Nicht ein Wort, nicht einmal eine Silbe. Mit ihren Stimmbändern war alles in Ordnung. Wenn sie sich wehtat, schrie sie, wenn sie erkältet war, hustete sie, wenn im Radio ein Song von Justin Bieber lief (was an sich schon eine Tragödie war, würde manch einer wohl behaupten), summte sie gedankenverloren mit.
Luna sprach nicht, weil sie nicht wollte. Es war kein physisches, sondern ein psychologisches Problem unbekannter Ursache. Ich wusste nur, dass meine Tochter anders war, teilnahmslos und wunderlich. Die Leute drückten ihr das Etikett »speziell« auf, als Rechtfertigung dafür, dass sie sie wie eine Kuriosität behandelten. Ich konnte sie nicht länger vor den befremdeten Blicken, den fragend hochgezogenen Augenbrauen schützen.
Tatsächlich wurde es zunehmend schwierig, ihre Schweigsamkeit als Introvertiertheit zu verkaufen, und ich war es ohnehin leid, es zu vertuschen. Luna war schon immer unglaublich klug, und das wird sie auch immer sein. Sie hat bei den unzähligen Tests, die im Lauf der Jahre mit ihr durchgeführt wurden, ausnahmslos überdurchschnittlich gut abgeschnitten. Sie verstand jedes Wort, das man an sie richtete. Sie war aus freien Stücken stumm und gleichzeitig zu jung, um eine solche Entscheidung zu treffen. Sie davon abbringen zu wollen war ebenso absurd wie aussichtslos. Aus diesem Grund unterbrach ich zweimal wöchentlich meinen Arbeitstag und fand mich in Sonyas Praxis ein, in dem verzweifelten Bemühen, meine Tochter dazu zu bringen, ihren Boykott gegen die Welt aufzugeben.
»Ich kann dir sagen, weshalb Luna Seepferdchen liebt.« Sonya spitzte die Lippen und legte mein in trunkenem Zustand verfasstes Gedicht auf ihren Schreibtisch. In ihrer Gegenwart sprach Luna hin und wieder ein paar Worte, allerdings nie, wenn ich dabei war. Sie hatte mir erzählt, dass Lunas Stimme so ruhig war wie ihr Blick. Sanft und zart, ohne jeden Sprachfehler. »Eben die eines kleinen Mädchens, Trent. Eines Tages wirst du sie auch hören.«
Müde von alldem runzelte ich die Stirn und stützte den Kopf auf eine Hand, während ich die vollbusige rothaarige Psychologin ansah. Im Büro warteten drei Geschäftsabschlüsse, mit denen ich mich befassen musste – vier, falls ich vergessen haben sollte, den Koreanern den Vertrag zu schicken. Meine Zeit war zu kostbar für Geschwafel über Seepferdchen.
»Ach ja?«
Sonya fasste über den Schreibtisch und legte ihre zierliche weiße Hand auf meine bronzefarbene Pranke. »Seepferdchen sind deshalb ihre Lieblingstiere, weil deren männliche Vertreter die einzigen Geschöpfe in der Natur sind, die anstelle des Weibchens den Nachwuchs austragen. Sie werden trächtig und brüten die Eier aus. Ist das nicht wundervoll?«
Ich blinzelte mehrmals und warf einen Blick zu meiner Tochter. In Anbetracht der Tatsache, dass mir schon der Umgang mit Frauen meines Alters schwerfiel, hieß die Verantwortung für Luna, ein ganzes Arsenal an Kugeln im Dunkeln abzufeuern und darauf zu hoffen, dass wenigstens eine ins Ziel traf. Frustriert durchstöberte ich mein Hirn nach irgendetwas, was meiner Tochter ein Lächeln ins Gesicht zaubern würde.
Wenn das Jugendamt wüsste, was für ein emotionaler Krüppel ich war, würde man mir Luna wegnehmen, ging es mir durch den Sinn.
»Ich …«, setzte ich an. Sonya räusperte sich und kam mir zu Hilfe.
»Hör mal, Luna? Wieso hilfst du Sydney nicht dabei, einen Teil der Sommerlager-Deko draußen anzubringen? Darin bist du doch sehr geschickt.«
Sydney war Sonyas Assistentin. Luna hatte sich während unserer Wartezeiten im Empfangsbereich mit ihr angefreundet. Sie nickte und sprang von ihrem Stuhl.
Ihre tiefblauen, von karamellfarbener Haut und hellbraunen Locken umrahmten Augen funkelten wie Diamanten. Meine Tochter war wunderschön, und die Welt war hässlich. Ich hatte keine Ahnung, wie ich ihr helfen sollte.
Es brachte mich um wie ein Krebsgeschwür. Langsam, qualvoll und unausweichlich.
Nachdem die Tür mit einem dumpfen Laut ins Schloss gefallen war, richtete Sonya die Augen auf mich. Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht.
Ich schaute erneut auf die Uhr. »Wie sieht’s aus, kommst du heute Abend auf eine Nummer vorbei?«
»Herrgott, Trent.« Sie schüttelte den Kopf und verschränkte die Finger im Nacken. Ich nahm ihre Entrüstung gelassen, immerhin war ich vertraut damit. Aus mir unbegreiflichen Gründen bildete sie sich ein, mich zurechtstutzen zu können, nur weil sie mir gelegentlich einen blies. In Wahrheit verdankte sie jeden Funken Macht, den sie über mich hatte, allein Luna. Meine Tochter betete sie an und ließ sich in ihrer Gegenwart öfter mal zu einem Lächeln hinreißen.
»Ich werte das als ein Nein.«
»Wieso betrachtest du es nicht als einen Weckruf? Mit ihrer Liebe zu Seepferdchen drückt Luna ihre Wertschätzung dafür aus, dass du dich um sie kümmerst. Deine Tochter braucht dich, Trent.«
»Ich bin für sie da«, stieß ich zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Es war die Wahrheit. Was hätte ich denn sonst noch für Luna tun können als bisher ohnehin schon? Ich war ihr Vater, wenn sie jemanden brauchte, der das Glas Essiggurken für sie aufschraubte, und ihre Mutter, wenn es darum ging, ihr Unterhemd in ihre schwarze Ballettstrumpfhose zu stopfen.
Vor drei Jahren hatte Lunas Mutter sie in ihr Bettchen gelegt, sich ihre Schlüssel und zwei große Koffer geschnappt und war aus unserem Leben verschwunden. Val und ich waren kein Paar gewesen. Unsere Tochter war das Produkt einer kokainseligen Junggesellenparty in Chicago, die aus dem Ruder gelaufen war. Sie war im Hinterzimmer eines Stripclubs gezeugt worden, wo Val mich geritten hatte, während eine zweite Stripperin auf meinem Gesicht saß. Rückblickend betrachtet hätte ich für meine Dämlichkeit, es ohne Kondom zu treiben, einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde verdient. Ich war achtundzwanzig und beim besten Willen nicht mehr grün hinter den Ohren, sondern erfahren genug, um zu wissen, worauf ich mich einließ.
Aber damals hatte ich das Denken noch meinem Schwanz und meinem Geldbeutel überlassen.
Jetzt, mit dreiunddreißig, benutzte ich meinen Verstand und hatte das Lebensglück meiner Tochter im Hinterkopf.
»Wann beenden wir endlich diese Scharade?«, konfrontierte ich Sonya. Ich hatte es satt, das eigentliche Thema zu umschiffen. »Nenn mir deinen Preis, und ich werde ihn bezahlen. Was verlangst du dafür, Luna exklusiv zu betreuen?«
Sonya arbeitete für eine private Einrichtung, die teils vom Staat und teils von Personen wie meiner Wenigkeit finanziert wurde. Sie konnte nicht mehr als achtzig Riesen im Jahr verdienen, darum war ich ziemlich optimistisch. Ich hatte ihr hundertfünfzigtausend für denselben Aufwand wie bisher angeboten, wenn sie sich ausschließlich um Luna kümmerte, zuzüglich der besten verfügbaren Krankenversicherung für sie und ihren Sohn. Sonya seufzte leidgeprüft und kniff ihre azurblauen Augen zusammen. »Begreifst du denn nicht, Trent? Du solltest Luna dazu bringen, sich mehr Menschen zu öffnen, anstatt ihr zu erlauben, mit niemandem außer mir zu kommunizieren. Abgesehen davon ist sie nicht das einzige Kind, das mich braucht. Ich lege Wert darauf, mit einem breiten Spektrum von Patienten zu arbeiten.«
»Sie liebt dich«, argumentierte ich und zupfte ein paar Fusseln von meinem eleganten dunklen Gucci-Anzug. Glaubte sie etwa, ich wollte nicht, dass meine Tochter mit mir redete? Mit meinen Eltern? Meinen Freunden? Ich hatte alles versucht. Luna gab nicht nach. Das Mindeste, was ich tun konnte, war, sicherzustellen, dass sie nicht völlig im Kopf vereinsamte.
»Luna liebt dich auch. Sie braucht einfach noch mehr Zeit, um aus ihrem Schneckenhaus herauszukommen.«
Ich erhob mich. »Dann lass uns hoffen, dass es passiert, bevor ich einen Weg finde, es zu zerbrechen.« Es war nur halb scherzhaft gemeint. Meine Tochter flößte mir ein Gefühl von Hilflosigkeit ein, wie ich es nie gegenüber einem erwachsenen Menschen gespürt hatte.
»Trent«, sagte Sonya flehentlich, als ich die Tür erreichte. Ich blieb stehen, drehte mich jedoch nicht um. Nein. Scheiß drauf. Sie redete nicht viel über ihr Privatleben, wenn sie für eine schnelle Nummer bei mir vorbeikam, nachdem Luna und das Kindermädchen zu Bett gegangen waren, aber ich wusste, dass sie geschieden war und einen Sohn hatte. Scheiß auf die normale Sonya und ihren normalen Sohn. Sie verstanden Luna und mich nicht. In der Theorie vielleicht. Aber die gebrochenen, gepeinigten, absonderlichen Menschen, die wir in Wirklichkeit waren? Nie im Leben. Sonya war eine gute Psychologin. War sie unmoralisch? Möglich, aber selbst das war fraglich. Wir hatten Sex, mehr war nicht im Spiel, das wussten wir beide. Keine Gefühle, keine Komplikationen, keine Erwartungen. So fähig sie in ihrem Job auch war, begriff sie wie alle anderen trotzdem nicht, was ich durchmachte. Was wir durchmachten.
»Gerade haben die Sommerferien angefangen. Bitte, hör auf mich, und nimm dir mehr Zeit für Luna. Du arbeitest zu viel. Sie würde wirklich davon profitieren, dich mehr um sich zu haben.«
Ich wandte mich zu ihr um und sah sie prüfen
d an.
»Was schlägst du vor?«
»Wie wäre es, wenn du dir jede Woche einen Tag freinimmst, um ihn mit ihr zu verbringen?«
Mein bedächtiges Augenzwinkern verriet ihr, dass sie eindeutig den Bogen überspannte. Sonya ruderte zurück, wenn auch nicht kampflos. Sie presste die Lippen aufeinander, um mir zu bedeuten, dass sie gleichermaßen genug von mir hatte.
»Ich versteh schon. Du bist eine große Nummer und kannst dir keine Freizeit leisten. Versprichst du mir wenigstens, dass du sie einmal pro Woche mit in die Arbeit nehmen wirst? Camila kann auf sie aufpassen. Ich weiß, dass es in eurer Firma ein Spielzimmer und andere Einrichtungen für Kinder gibt.« Camila war Lunas Kindermädchen. Die Zweiundsechzigjährige würde in Kürze zum zweiten Mal Großmutter werden, darum war es nur eine Frage der Zeit, bis sie uns verlassen würde. Kein Wunder, dass mich jedes Mal, wenn ich ihren Namen hörte, ein unbehagliches Gefühl beschlich.
Ich nickte. Sonya schloss die Augen und stieß den Atem aus. »Danke.«
In der Lobby griff ich mir Lunas Dora-Rucksack und verstaute ihr Plüsch-Seepferdchen darin. Ich streckte ihr die Hand hin, und sie nahm sie, bevor wir uns wortlos zum Aufzug begaben.
»Lust auf Spaghetti?«, fragte ich, wohl wissend, dass ich enttäuscht würde. Sie würde mir nicht antworten.
Stille.
»Wie wäre es mit einem Frozen Yogurt?«
Keine Reaktion.
Die Fahrstuhltür glitt auf. Wir stiegen ein. Luna hatte ihre schwarzen Chucks, ein Paar Jeans und ein weißes T-Shirt an. Die Art von Outfit, wie das Van-Der-Zee-Mädchen es vermutlich trug, wenn es nicht gerade unschuldige Passanten ausraubte. Luna besaß optisch keinerlei Ähnlichkeit mit Jaimes Tochter Daria oder den anderen Mädchen in ihrer Kindergartengruppe, die auf Kleider und Rüschen standen. Aber das war nicht weiter schlimm, weil meine Tochter sich auch für sie nicht die Bohne interessierte.