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Scandal Love Page 6


  Dean erhob sich und sammelte seinen Kram vom Tisch ein. »Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich muss meine Frau anrufen. Sie hatte heute einen Arzttermin. Glückwunsch, Jordi.«

  Vicious und Jaime standen ebenfalls auf und erörterten eine Videokonferenz, die morgen in aller Herrgottsfrühe mit Japan anstand.

  Van Der Zee und ich blieben allein im Konferenzsaal zurück, umgeben nur vom weißen Rauschen der Klimaanlage. Gereizt tippte er sich mit dem Finger auf seine schmalen Lippen, während sein Fuß im Gleichtakt mitklopfte.

  Er erwartete eine Erklärung von mir. Absurderweise, sollte ich hinzufügen. Dem Feind freiwillig Informationen zu liefern war ein Anfängerfehler, den ich mir abgewöhnt hatte, noch ehe meine reichen, verwöhnten Kumpels lernten, sich selbst den Hintern abzuwischen.

  »Mangelt es Ihnen heute an Entschlusskraft?« Sein langes knochiges Voldemort-Gesicht verzog sich vor Unmut. Er sah aus wie ein Zar und benahm sich wie ein Tyrann. Jordan hielt sich selbst für einen einschüchternden Mann, und vielleicht war er das, wenn auch nicht für mich. Große Klappe und nichts dahinter, so sah ich ihn.

  Ich zuckte die Schultern und legte die Beine auf den Tisch, weil ich wusste, dass ihn das tierisch nervte. »Ganz und gar nicht. Ich hatte nie ein Problem damit, dass Ihre Tochter hier arbeitet. Ich wollte Sie nur ein bisschen ins Schwitzen bringen. Cardio-Training ist wichtig in Ihrem Alter.«

  »Wie fürsorglich von Ihnen. Sie sind niemand, der seine oder anderer Leute Zeit verplempert, aber genau das haben Sie gerade getan, woraus ich schließe, dass es ein Motiv hinter Ihrem Sinneswandel gibt. Lassen Sie mich eines klarstellen: Meine Tochter ist absolut tabu für Sie. Sie wären gut beraten, sich von ihr fernzuhalten.«

  Ich konnte schlecht die beleidigte Leberwurst mimen, weil ich seine halbwüchsige Tochter tatsächlich überaus appetitlich fand, so krank und pervers das auch war. Gleichzeitig hütete ich mich, auch nur darüber nachzudenken. Sie gebärdete sich wie ein Kind. Ich hatte selbst eins zu Hause. Man hatte nicht viel Spaß mit ihnen, und es war unbeschreiblich schwer, sie zu bändigen.

  »Ich nehme nicht an, dass die anderen Partner dieselbe Warnung erhalten?«, fragte ich und senkte verächtlich das Kinn. Ich hatte nicht vor, die kleine Edie zu vernaschen, aber das brauchte er nicht zu wissen. Ihn zu reizen war meine Interpretation eines Hobbys.

  »Ihre Kollegen sind Gentlemen.«

  Meine Kollegen hatten insgesamt so viele Frauen gevögelt, dass man ein mittelgroßes Land mit ihnen bevölkern könnte, trotzdem würde ich seine Behauptung nicht abstreiten. Wenigstens nicht ihm gegenüber. Gähnend reckte ich mich auf meinem Stuhl. Ich mochte der Stumme sein – ich sprach so gut wie nie, weder bei Meetings noch bei Firmenanlässen oder auf gesellschaftlichen Events –, aber wenn die Situation es erforderte, scheute ich nicht davor zurück, um das, was ich wollte, zu kämpfen.

  »Wissen Sie, Jordi, manchmal hätte ich gute Lust, Sie als Rassisten anzuprangern. Sie scheinen einen Haufen Vorurteile gegen mich zu haben, die Sie meinen weißen Partnern nicht entgegenbringen.« Meine Stimme klang so gleichmütig, wie ich mich fühlte. Es juckte mich nicht, ob Jordan ein Rassist war, solange er mir nur nicht in die Quere kam.

  Er schnaubte kopfschüttelnd. »Kommen Sie mir nicht auf die Tour, Rexroth. Sie sind praktisch ein Weißer. Sie sehen nur so aus, als würden Sie Sonnenbäder nehmen.«

  »Ein schlichtes ›Ich bin kein Rassist‹ wäre vollkommen ausreichend gewesen«, konterte ich.

  »Wie dem auch sei.« Er erhob sich. »Halten Sie sich von meiner Tochter fern, wenn Sie auch nur ein Jahr in diesem Unternehmen überdauern wollen.« Vor zwölf Monaten hatte Jordan neunundvierzig Prozent der Firmenanteile gekauft, und wir vier hatten die übrigen unter uns aufgeteilt, damit wir alle nach Todos Santos ziehen und in nächster Nähe zueinander leben konnten. Nur hatten wir da noch nicht geahnt, wie sehr Jordan uns auf den Sack gehen würde.

  »Ihre leeren Drohungen langweilen mich. Abgesehen davon habe ich sie schon mal gehört.«

  »Gehört schon. Sie beherzigt? Nein.«

  »Hier haben Sie Ihre Antwort, Sir: Lecken Sie mich am Arsch!« Ich nahm die Hände aus den Hosentaschen und zeigte ihm beide Mittelfinger, bevor ich aufstand und mir mein Portemonnaie und mein Handy schnappte. Ich wählte Sonyas Nummer, um ihr die erfreuliche Nachricht zu überbringen, dass Luna genickt hatte. Sie ging nach dem ersten Klingeln ran. »Bleib kurz dran, Sonya.« Ich presste das Handy an meine Brust und grinste ihn böse an. »Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Van Der Zee – bei Ihrer nächsten geschäftlichen Transaktion sollten Sie sich vergewissern, dass Sie es mit Gentlemen zu tun haben. Weil ich nämlich keiner bin und es mich einen Dreck kümmert, wie viele Anteile an meiner Firma Ihnen gehören. Nur damit das klar ist – falls Sie mir noch ein einziges Mal drohen, lasse ich Sie auf einem Scherbenhaufen mitsamt enormen finanziellen Verlusten sitzen. Wir sind hier fertig, Partner.«

  KAPITEL 5

  EDIE

  Zwei Tage.

  Kein Menschenalter, aber auch kein flüchtiger Augenblick. Zwei Tage waren vergangen, seit Trent Rexroth die kostbaren Louboutins meiner Mutter ruiniert hatte, und um die Wahrheit zu sagen, war ich wegen dieses Frevels immer noch fassungslos und zugleich unerklärlich angetörnt.

  Ein wohliger Schauer hatte mich bis in mein Innerstes ergriffen, als er den Absatz von dem luxuriösen Designerschuh riss – zuzusehen, wie teure Dinge ruiniert wurden, war eines meiner Lieblingshobbys –, doch im selben Atemzug war ich froh darüber, etwas Distanz zwischen mich und diesen introvertierten Griesgram zu bringen.

  Ich konnte niemand anderem als mir selbst die Schuld dafür geben. Immerhin hatte ich ihn ausdrücklich aufgefordert, mich nicht einzustellen. Dabei hätte ich wissen müssen, dass er es aus kleinkarierter Gehässigkeit erst recht tun würde.

  Der Job hinterließ seine Spuren bei mir, körperlich, seelisch und mental. Ich musste jeden Morgen um halb fünf aufstehen, um noch die Zeit zum Surfen zu finden. Anschließend spielte ich in der Regel gefühlte fünfhundert Mal den Kaffeeboten für Vicious (kalt und rüpelhaft), Dean (witzig und vulgär) und Jaime (höflich und unnahbar), bevor ich meine Schicht als Dienstmagd der Sekretärinnen und persönlichen Assistentinnen antrat. Ich holte Klamotten aus der Reinigung, hielt ein Sortiment an Krawatten bereit, aus denen die Börsenmakler vor Meetings auswählen konnten, und ging dem Hausmeister zur Hand, wenn einer der Wasserhähne in der Herrentoilette leckte. Mein Vater hatte keinen Scherz gemacht – man wies mir die ödesten, stumpfsinnigsten Aufgaben zu.

  Nach unserem Zusammenstoß hielt Rexroth sich von mir fern, er würdigte mich keines Blickes, wenn er wie ein Feuer speiender Dämon, in dessen hellen Augen Dunkelheit wohnte, durch die Flure preschte.

  In den Mittagspausen, wenn ich allein draußen vor dem Gebäude saß und eine armselige Instant-Ramen-Nudelsuppe schlürfte, die ich bei Dollar Tree erstanden hatte, um Geld zu sparen, grübelte ich darüber nach, ob meine Show an seinem Schreibtisch ihn beeindruckt hatte oder ob er mich für eine durchgeknallte Spinnerin hielt, die seiner Aufmerksamkeit nicht würdig war.

  Es spielte keine Rolle. Das einzig Entscheidende war, dass ich jetzt zu den vielen überarbeiteten, strapazierten Mitarbeitern dieser reichen, privilegierten, anmaßenden Männer gehörte, denen es in nur zwei Tagen gelungen war, in mir das Bedürfnis zu wecken, eine schwere Straftat zu begehen.

  Ich hasse diese Firma; ich hasse diese Menschen; ich hasse dieses Leben …

  Ich stand gerade im Pausenraum und fummelte an einem feudalen Obstkorb herum (sie wurden täglich auf die fünfzehnte Etage von Vision Heights Holdings geliefert, zusammen mit frischem Gebäck und kalt gepressten Bio-Säften), als das niedliche Mädchen und Camila hereinkamen.

  »Zeig mir, was du zu Mittag essen möchtest.« Mein ehemaliges Kindermädchen gab der Kleinen einen Block, auf dem verschiedene Speisen abgebildet waren. Dann hob sie den Kopf, sah mich und lächelte. »Wir treffen uns schon wieder, meine süße Edie!« Camila umarmte mich ungestüm, und ich klammerte mich an ihr fest wie an einer Rettungsleine. I
n vielerlei Hinsicht war sie das auch. Ich glaubte fest daran, dass manche Menschen auf die Welt kamen, um sie für andere erträglicher zu machen. Camila war einer davon.

  »Ist es verwerflich, auf eine Dreijährige eifersüchtig zu sein, weil sie dich hat?«, murmelte ich mit einem Anflug von Selbstmitleid in ihr feines weißes Haar. Camila löste sich lachend von mir und streichelte prüfend mein Gesicht, wie um sich zu vergewissern, dass alles an seinem Platz war. Physisch gesehen war es das.

  »Sie ist vier.«

  »Oh.« Ich lehnte mich gegen den Tresen und nahm das hübsche Mädchen genauer in Augenschein. Dies war unsere zweite Begegnung, darum fielen mir Dinge auf, die mir beim ersten Mal entgangen waren. Sie war angezogen wie ein Junge, als wollte sie verbergen, wie entzückend sie war. Ich fühlte mich auf Anhieb zu ihr hingezogen. Sie machte ein Geheimnis aus ihrer Schönheit und, wie bei Geheimnissen üblich, wählte sie die Personen, denen sie es anvertraute, sorgsam aus. Vermutlich war das auch der Grund, warum sie sparsam mit ihrem Lächeln umging.

  »Du bist nicht sehr gesprächig«, sagte ich zu der Kleinen und zog die Nase kraus. Ich hatte jahrelang am eigenen Leib erfahren, dass über mich geredet wurde, während ich im Raum war, darum wusste ich, dass Kinder zuhören, differenzieren und es hassen, wenn man sie behandelt, als seien sie unsichtbar.

  »Das kann man wohl sagen.« Camila räusperte sich, bevor sie den Blick auf den Obstkorb richtete, sich eine Erdbeere schnappte und in den Mund steckte. »Sie spricht nicht«, erklärte sie, ohne das näher auszuführen.

  »Ach so.« Ich ging vor dem Mädchen in die Hocke und bot ihm eine Pekannuss an. Aßen Kinder in ihrem Alter so etwas? Ich war mir nicht sicher, aber sie nahm sie jedenfalls und packte sie in ihre Tasche.

  »Ich habe noch gar nicht gefragt, wie sie heißt.«

  »Luna«, antwortete Camila. Sie strich dem Kind über die weichen braunen Locken. Es war bezaubernd. Eine Mischung aus allem, was die menschliche Spezies an Schönheit zu bieten hatte. Mokkafarbene Haut und blaue Augen. Luna erinnerte mich an jemanden, aber ich kam nicht drauf, an wen. Vielleicht an eine Miniaturausgabe von Adriana Lima.

  »Ich bin Edie.« Ich streckte ihr die Hand hin. Sie ergriff sie nicht. Weder kränkte noch ärgerte mich ihre Zurückweisung.

  »Dann eben nicht.« Ich zog die Hand zurück. »Ich will sowieso nicht über und über von deinen Bakterien bedeckt sein.«

  Luna unterdrückte ein Schnauben.

  »Komm ja nicht in meine Nähe, okay? Du siehst aus wie jemand, der in der Nase bohrt.«

  Ich liebte Kinder. Allerdings nicht auf die gleiche Art wie die meisten jungen Frauen meines Alters. Ich mochte die abgebrühten, ungezogenen. Die, die damit zu kämpfen hatten, ihre Emotionen mitzuteilen, und sich in ihrem Körper gefangen fühlten. Wahrscheinlich, weil ich mich so sehr in ihnen wiedererkannte.

  Ich ging zur anderen Seite der kleinen Küche, öffnete den Kühlschrank und griff mir eine Cola. Luna folgte mir mit den Augen, ein aufmüpfiges Lächeln auf ihren vollen Lippen. Ich zog eine Braue hoch und öffnete die Dose.

  »Ich wette, du darfst keine Limo trinken, stimmt’s?

  Sie nickte. Ihren Bewegungen haftete etwas Zögerliches an. Als beherrschte sie sie nicht wirklich – oder als sei sie unsicher, ob sie sich überhaupt dazu herablassen sollte.

  »Wenn ich dir etwas abgebe, verpetzt du mich dann?«

  »Nein, Edie!«, rief Camila und eilte mit abwehrenden Handbewegungen zu uns. »Ihr Vater würde uns beide einen Kopf kürzer machen. Tu das ja nicht!«

  Ich erwiderte nichts, weil »nein« in Camilas Weltanschauung »vielleicht« bedeutete. Es kam nur darauf an, wie hartnäckig man blieb. Lunas Blick pendelte zwischen uns hin und her, während sie unsere Beziehung auszuloten versuchte.

  »Ich muss kurz zur Toilette. Kannst du solange auf sie aufpassen?« Camila strich ihren langen Rock und ihren Blazer glatt.

  Ich nickte. »Klar.«

  »Keine Limonade.« Sie drohte mir von der Tür aus mit dem Finger.

  Ich nickte wieder. Sie war nicht so naiv, mir zu glauben, trotzdem fühlte sie sich verpflichtet, auch Luna den drohenden Finger zu zeigen. »Es ist mein Ernst, Luna. Dein Vater wäre nicht erfreut.«

  Überflüssig zu erwähnen, dass Lunas Lippen Bekanntschaft mit ihrer ersten Cola machten, kaum dass Camila verschwunden war. Ich hielt die Dose, während ich sie einen kleinen Schluck trinken ließ, und ging erneut in die Hocke, um ihre Reaktion aus nächster Nähe zu beobachten, als der süße Sprudel auf ihre Geschmacksknospen traf.

  »Lecker, nicht wahr?«

  Luna nickte wortlos. Ich nahm einen ausgiebigen Schluck und linste in die kleine ovale Trinköffnung.

  »Ja, echt gut. Warte nur, bis du dein erstes Bier kostest«, neckte ich sie.

  »Das wäre Zeitverschwendung, weil das niemals passieren wird«, erklang eine stahlharte Stimme aus Richtung Tür. Mein Kopf fuhr herum, mir blieb vor Schock der Mund offen stehen.

  Shit.

  Mit tierisch angepisster Miene trat Trent Rexroth in die Küche. Ich hatte noch nie einen Mann in einem dermaßen sexy Anzug gesehen, dabei stand ich noch nicht mal auf Anzüge – hauptsächlich, weil Jordan ein Faible dafür hatte und ich aus Prinzip alles hasste, was er mochte –, aber der seidige schwarze Stoff schmeichelte Trents muskulösem stattlichem Körper auf eine Weise, dass ich mich instinktiv fragte, wie er wohl in einem Neoprenanzug aussehen würde. Oder ohne alles. So oder so würde er Bane und die anderen Kerle am Tobago Beach definitiv in den Schatten stellen. Keine Ahnung, womit er sich in Form hielt, jedenfalls nicht, indem er von neun bis fünf auf seinem Hintern herumsaß, wütende E-Mails verfasste und mich und alle anderen finster beäugte.

  Ich nahm die Dose von Lunas Mund weg und richtete mich auf.

  »Sie ist …« Mein Blick schweifte umher, auf der Suche nach einem Halt, wahlweise irgendeinem scharfen Gegenstand, mit dem ich mich verteidigen konnte, sollte Rexroth tatsächlich beschließen, mich einen Kopf kürzer zu machen.

  »Meine Tochter«, schnitt er mir das Wort ab. »Ja, das ist sie. Wo zum Henker steckt Camila?« Er klang wie das Ungeheuer in Die Schöne und das Biest. Düster, ruppig und gebieterisch. Trotzdem würde ich mich nicht von ihm ins Bockshorn jagen lassen und in eine Ecke verkriechen.

  »Welche Vierjährige hat denn noch nie eine Cola probiert?«, rief ich vorwurfsvoll und riss die Arme hoch.

  »Wie bitte?«

  »Du hast mich schon richtig verstanden.« In der Hoffnung, dass sie sie nicht abschütteln würde, legte ich Luna die Hand auf die Schulter. Sie tat es nicht. »Ganz ehrlich, was stimmt nicht mit dir? Sie sollte natürlich nicht jeden Tag oder auch nur jede Woche eine bekommen, okay. Aber überhaupt niemals? Wieso denn nicht? Limonade ist himmlisch. Sie ist süß, sie kitzelt dich am Gaumen und weckt Glücksgefühle. Oder, Luna?« Ich stupste sie an.

  Sie nickte energisch, was Trent veranlasste, mich fassungslos anzustarren. Er kam einen Schritt näher und richtete die Augen auf seine Tochter.

  Es herrschte unbehagliches Schweigen. Was um alles in der Welt passierte hier gerade?

  »Was ist? Sag schon!« Ich verlor die Nerven, sah abwechselnd ihn und das Mädchen an.

  »Mach das noch mal«, sagte er und meinte offenbar uns beide.

  »Wovon sprichst du?« Ich rieb mir den Nacken, versuchte noch immer, aus seiner Reaktion schlau zu werden.

  »Bring sie noch mal dazu zu nicken. Bitte.« Das letzte Wort kam nur zögerlich, als würde er damit eine Niederlage eingestehen. Ich zupfte mit den Zähnen an meiner Unterlippe, dabei starrte ich ihn an wie einen mit Ananas-Hut und Hularock bekleideten Außerirdischen, der soeben auf der Erde gelandet war.

  »Meinetwegen …« Ich rümpfte die Nase und schaute zu Luna.

  »He, Süße, möchtest du noch einen Schluck Cola?«

  Luna nickte und griff nach der Dose. Trent lachte. Der Wahnsinn, er lachte. Und nicht auf die Art wie damals, als er mich stellte, nachdem ich seiner Mutter die Handtasche gemopst hatte. Er lachte, als stünde der Welt
untergang bevor und es wäre ihm egal. Als wäre dieses Büro kein höllischer Ort und wir hassten einander nicht wie die Pest. Sein Lachen war eine verheißungsvolle, liebliche Melodie, die jede Zelle von mir erfasste und den Rhythmus meines Herzschlags veränderte. Vor Schock knickten meine Knie ein wie Reisig, fast wäre ich hingefallen.

  Er war der Inbegriff … eines echten Kerls.

  Nicht dass das auf Vicious, Dean und Jaime nicht zugetroffen hätte. Das tat es – so wie auf achtzig Prozent der Belegschaft dieser Etage. Aber nur Trent Rexroth wirkte gepeinigt und rigoros genug, um sämtliche Brücken auf dieser Welt zu überqueren und sie von einem Ufer zum anderen niederzubrennen, wenn er auf diese Weise seinen Kopf durchsetzen konnte. Allein Trent Rexroth war zuzutrauen, dass er bedenkenlos jemandes Leben zerstörte, falls er diesen Vorsatz fasste. Die Furcht, die er mir eingeimpft hatte, erregte mich. Und das wiederum beunruhigte mich. Und zwar heftig.

  »Ich schaffe das noch mal«, versicherte ich, was halb meinem verzweifelten Wunsch geschuldet war, ihn erneut lachen zu hören, und halb meiner Hoffnung, dass er anschließend mehr in mir sehen würde als ein potenzielles Opfer.

  Er zog eine teuflische, buschige Braue nach oben. »Dann zeig, was du kannst. Aber keine Cola mehr.«

  Ich beugte mich zu Luna hinunter und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie senkte den Kopf und versuchte, ihr Lachen mit ihrer kleinen Faust zu ersticken. Triumphierend sah ich Trent an. Dieses Mal lachte er nicht. Dafür schimmerte eine Gefühlsregung in seinen Augen, von der ich nicht sicher war, ob er sie überhaupt empfinden konnte. Für einen flüchtigen Moment entstand eine Kommunikation zwischen uns, die ich nicht näher benennen konnte. Er betrachtete mich mit einer Intensität, die sich wie ein Gewicht auf meinen Schultern anfühlte. Als besäße ich irgendwelche Superkräfte, die er sich aneignen wollte. Ich war beinahe erleichtert, als Camila in den Pausenraum zurückkehrte und er den Kopf in ihre Richtung wandte, während ich geschwind die Coladose im Mülleimer entsorgte.